Leuten, die keine Hobbies haben, schlage ich immer wieder gern welche vor. Man braucht so etwas, da bin ich überzeugt. Neulich habe ich jemandem* geraten, schlimme Gesichter zu sammeln. Diese Gesichter, die jeder Mensch hat und die keinem stehen. Sie verstand überhaupt nicht, was ich meinte. Ich gab ihr als Grundstock für ihre Sammlung die folgenden drei Gesichter mit:
1. Das Gähn-Gesicht. Kein Mensch sieht gut aus, wenn er gähnt. Und trotzdem hat es etwas Tröstliches, etwas Verbindendes (nicht nur, weil es sogar über Fotos und Telefone ansteckend ist), wenn man jemanden sieht, dessen Gesicht gerade nach maximaler Kieferdehnung wieder zusammensackt. Man versteht sofort. Man ist eins.**
Bild ausgeliehen bei http://cootelibeau.files.wordpress.com2. Das Kurz-vor-dem-Niesen-Gesicht. Man muss nichts dazu sagen. Probieren Sie es schnell aus. Im Büro, zu Hause, in der S-Bahn, wo auch immer. Ziehen sie die Augenbrauen in die Höhe, schliessen sie die Augen halb und spannen sie die Mundwinkel schräg nach unten. Gleichzeitig geräuschvoll nach Luft schnappen - voilà. Keiner sieht dabei gut aus. Das ist aber gut zu Wissen.
3. Das Zungen-Pul-Gesicht. Also das Gesicht, dass man macht, wenn man versucht, mit der Zunge etwas zwischen den Zähnen hervorzupulen. Dabei spielt es keine Rolle, ob hinter den Weisheitszähnen oder vorne zwischen den Schaufeln gestochert und gesaugt wird - man macht ein schlimmes Gesicht. Akut wird es, wenn es mit dem Aufmerksam-Zuhören-Gesicht und gelegentlichem Nicken zu kombinieren versucht wird. Das sollte man keinem Gesprächspartner antun. Ausser, man weiss, dass es ihm guttäte, zu wissen, dass alle Menschen in gewissen Situationen ebenso furchtbar aussehen, wie er sich in den meisten fühlt. Dann würde er wenigstens merken: Alle sind eins, wenn sie schlimme Gesichter machen.
Die nicht minder notwendigen Ausführungen zum Lidstrich-Gesicht und zum Gitarrensolo-Gesicht werden Teil der schriftlichen Dokumentation meiner Foto-Vernissage “Schlimme Gesichter aller Nationen” sein, unterstützt von der Stadt Bern und vom Migros Kulturprozent. Stay tuned.
*es war jemand zugegebenermassen jemand wirklich sehr Verzweifeltes
**Während dem Tippen dieses Abschnitts musste ich acht neun zehn elfmal gähnen. Dies ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich hoffe, dass Leser meines Textes gähnen müssen, einfach, um die Gewalt dieser universalen Geste der Menschlichkeit zu demonstrieren.