Aus dem roten Büchlein, April 2018

Eigenartig, dass die Leute, die das Leben unbedingt voll auskosten zu müssen meinen - die Solo-Weltreisenden, die Extremkletterer, die Apnoetaucher, die Fugu-Esser - ständig im Namen des Lebendigseins, des Sichamlebenfühlens, Dinge tun, die genau dieses Leben gefährden, verkürzen, verschlechtern oder beenden könnten. Als ob das Leben nur dann in seiner reinsten Form spürbar würde, wenn es akut bedroht ist. Grosse Höhe wird schliesslich auch intensiver erlebt, wenn man die Nasenspitze über einen Felsvorsprung hinausschiebt, als wenn man auf dem Rücken am Ufer eines Bergsees in den Himmel schaut. Und so richtig am Mark zehren kann das Gefühl von Höhe ja erst im freien Fall.

Muss man vielleicht ein bisschen sterben wollen, um wirklich leben zu können?

Bygdøy, Oslo, 4. August 2018

Möwen sind viel grösser, als man meint. Sie sind menschenscheu, sogar hier. Vermutlich nur, weil sie keine Ahnung haben, wie furchterregend sie mit ihren scharfen Schnäbeln eigentlich sind. Vorhin habe ich eine jagen sehen. Das Wasser hier in der Bucht ist seicht, aber der Wind und die Gezeiten bewegen es immerzu. Diese Möwe hat also vom Felsen neben mir aus ins Wasser geschaut, ist dann aufgestiegen, hat mit einigen prekären Manövern den Wind ausgetänzelt wie ein Boxer seinen Gegener, ist dann über die Wasseroberfläche gesaust und hat im ungebremsten Flug einen Fisch aus den Wellen gepflückt. Als wäre es nichts! Die hat kein Gefühl dafür, wie sehr wir sie fürchten müssten. Einmal kräftig mit diesem Schnabel in einen Menschen gehackt - und offen ist die Halsschlagader. Oder die klaffende Wunde, bereit für eine tödliche Infektion. Ich verzichte darauf, ihr das alles zu erklären. Manchmal ist es für alle besser, wenn sich jemand seiner Macht nicht voll bewusst ist.

Huk-4-August

Lügen verbieten.

So wie unrealistische Darstellungen von körperlicher Verbundenheit* verboten oder zumindest von Minderjährigen ferngehalten gehören, so sollten auf meiner Insel auch unrealistische Darstellungen von emotionaler Verbundenheit verboten werden.

Frauen, seht es doch endlich ein. Geradezu lächerlich attraktive Männer in den besten Jahren sitzen nicht zu Hause auf dem Boden neben dem Bett und winden sich und winseln euch hinterher und überlegen sich, wie sie euch am besten glücklich machen könnten**. Sie wollen auch nicht jede eurer Ideen hören und immer angerannt kommen müssen, wenn euch eine Laus über die Leber gelaufen ist. Sie haben dafür keine Zeit. Sie müssen Geld verdienen und da draussen in der echten Welt wichtig sein - nicht zuletzt euretwegen.

Hier die These: Frauen, die sich zu viele sogenannt romantische Filme, schnulzige Musikvideos und Kitschromane zu Gemüte führen, entwickeln völlig überrissene Ansprüche an einen potentiellen Partner und verlangen von ihm ständige Bereitschaft, auf ihre emotionalen Bedürfnisse einzugehen und ihre Gefühle zu teilen. Das finden aber scheinbar alle normal.

Männern werden dagegen der Schwanzgesteuertheit bezichtigt, weil sie das Gefühl hätten, ihre Frauen müssten jederzeit auf ihre körperlichen Bedürfnisse eingehen und gewissermassen ihren Körper teilen. Das finden die meisten völlig daneben.

Ist die Ironie nicht offenkundig? Sie hat das Gefühl, er müsste merken, dass sie ihn liebt, auch wenn sie gerade nicht mit ihm schlafen will. Aber wenn er nicht reden mag, bedeutet das, dass er sie nicht liebt?

Ich kann mich gar nicht entscheiden, was ich abwegiger finde.




Übrigens wäre es schön, wenn es so eindimensional wäre. Dann könnte man allen Paaren die gleichen Tipps geben. Kann man aber nicht, hallelujah.






* Wer findet einen schöneren Euphemismus für Pornographie? In zehn Sekunden?

** Für die korrekte Angabe des heimlich zitierten Musikvideos wird ein Bier verlost.

Ich habs getan. Mit dem Puderzuckerbuben.

Es hat kaum weh getan. Und auch nicht besonders lange gedauert. Ich habe insgesamt drei, also zwei ganze und zwei halbe Videos von Justin Bieber angeschaut. Mein Fazit:
Ein ganz normaler vierzehnjähriger Multimillionär* mit niedlichem Milchgesicht, der Frauen nachrennt, die etwa fünf Jahre älter aussehen**, Videospiele und zu grosse Hosen mag und für einen Jungen seines Alters ausserordentlich gepflegte Zähne hat.

Das Ausmass des zugehörigen Merchandising mag furchteinflössend sein. Aber die Songs und die Show sind wirklich erfrischend harmlos. Wenn ich mal Kinder habe, dürfen sie gerne Justin Bieber hören***. Aber ich werde ihnen raten, es nur heimlich zu tun und mit niemandem darüber zu sprechen.





* Beide Zahlen sind grob geschätzt.
** Und sie dann auch kriegt, wie jeder vierzehnjährige Mulitmillionär.
*** Da ich sowieso plane, erst welche zu haben, wenn ich ihnen schallisolierte Zimmer einrichten kann.

Warum machen wir das bloss II

Eine bei Weitem nicht abschliessende Liste von Dingen, bei denen ich Menschen* immer wieder beobachte, und nie verstehe, warum sie das tun.

- Einander ausführlich eklige Speisen in allen möglichen unverdauten und verdauten Zuständen beschreiben. Niemand will das hören, oder?

- Einander Sachen zum probieren anbieten, die man selber soeben für widerlich befunden hat. “Probier mal, das schmeckt grauenhaft / verdorben / brechreizend!”

- Leere oder praktisch leere Gebinde, vorzugsweise Milchflaschen, zurück in den Kühlschrank stellen. Ist es Reflex? Oder Faulheit?**

- Einander aus dem Zug anrufen, um zu sagen, dass man “gleich da” oder “gleich zu Hause” ist***.

- Sich über mühsame Eigenschaften an jemand anderem ärgern, die man bzw. weil man sie selber hat. Anstatt Koalitionen oder zumindest Selbsthilfegruppen zu bilden!


Kann mal bitte jemand hinreichend begründen, warum das so ist? Und es dann in Buchform bringen, mir widmen und ein Exemplar nach Bern schicken, danke.




*, mich selbst eingeschlossen,
**Weil der Mülleimer weiter weg ist als der Kühlschrank, vor dem man ja immer noch steht, weil man ja aus der Flasche getrunken hat, weil man nämlich auch zu faul war, um sich ein Glas zu nehmen.
*** Ist nur legitim, wenn darauf mindestens die Frage “Soll ich noch was vom Laden am Bahnhof mitbringen?” folgt.

Zehn Dinge IV - Ich bin reif für den Abtransport.

Zehn teilweise unglaubliche Entdeckungen einer einzigen Woche. Wer hätte gedacht, dass das möglich ist?

1. Am Abend des Aufräum-, Heimreise- und Lastwagenausladetags nach dem töllsten Lager der Saison bringt ein ganzer Stall voll Teilnehmer und Leiter noch die Energie auf, bis morgens um Weissnichtwann zu feiern - vermutlich einfach, weil noch niemand richtig heim wollte.

2. Um Punkt 1 zu untermauern: Wie geil muss ein Lager sein, wenn man danach nicht genau sagen kann, ob die Leiter oder die Teilnehmer den schlimmeren Koller haben? Eben!

3. Doch, man kann am Montagmorgen um 7.40 nach einer solchen Woche tatsächlich eine neue Klasse unterrichten.

4. Und ja, die Trotzstrategien aus der Pubertät funktionieren auch mit über 20 noch beim Mitarbeitergespräch.

5. Unter der Woche Konzerte besuchen macht am nächsten Tag nicht müde, sondern einfach unglaublich entspannt.

6. Vokuhilas kommen unaufhaltsam wieder*. Danke Dende.

7. Zweimal hintereinander Blumentopf machts nur noch besser.

8. Sommercasino Basel 1 - Bierhübeli Bern 0**.

9. Man kann mit den Menschen reden, selbst wenns um Geld geht. Das ist geprooft.

10. Man kann sich noch so ausgiebig mit Komplimenten beschäftigen, sie erforschen, sie zerlegen: Plötzlich kommt eines, bei dem einem die Spucke wegbleibt.

10b. Das ist dann hurti etwas peinlich. Aber enorm schön.







* Liesenhausen wird bald öffentlich dazu Stellung nehmen.

** Schon ok. Sie müssen dafür mit dem FCB leben.

Alle sind eins.

Leuten, die keine Hobbies haben, schlage ich immer wieder gern welche vor. Man braucht so etwas, da bin ich überzeugt. Neulich habe ich jemandem* geraten, schlimme Gesichter zu sammeln. Diese Gesichter, die jeder Mensch hat und die keinem stehen. Sie verstand überhaupt nicht, was ich meinte. Ich gab ihr als Grundstock für ihre Sammlung die folgenden drei Gesichter mit:


1. Das Gähn-Gesicht. Kein Mensch sieht gut aus, wenn er gähnt. Und trotzdem hat es etwas Tröstliches, etwas Verbindendes (nicht nur, weil es sogar über Fotos und Telefone ansteckend ist), wenn man jemanden sieht, dessen Gesicht gerade nach maximaler Kieferdehnung wieder zusammensackt. Man versteht sofort. Man ist eins.**



Bild ausgeliehen bei http://cootelibeau.files.wordpress.com


2. Das Kurz-vor-dem-Niesen-Gesicht. Man muss nichts dazu sagen. Probieren Sie es schnell aus. Im Büro, zu Hause, in der S-Bahn, wo auch immer. Ziehen sie die Augenbrauen in die Höhe, schliessen sie die Augen halb und spannen sie die Mundwinkel schräg nach unten. Gleichzeitig geräuschvoll nach Luft schnappen - voilà. Keiner sieht dabei gut aus. Das ist aber gut zu Wissen.

3. Das Zungen-Pul-Gesicht. Also das Gesicht, dass man macht, wenn man versucht, mit der Zunge etwas zwischen den Zähnen hervorzupulen. Dabei spielt es keine Rolle, ob hinter den Weisheitszähnen oder vorne zwischen den Schaufeln gestochert und gesaugt wird - man macht ein schlimmes Gesicht. Akut wird es, wenn es mit dem Aufmerksam-Zuhören-Gesicht und gelegentlichem Nicken zu kombinieren versucht wird. Das sollte man keinem Gesprächspartner antun. Ausser, man weiss, dass es ihm guttäte, zu wissen, dass alle Menschen in gewissen Situationen ebenso furchtbar aussehen, wie er sich in den meisten fühlt. Dann würde er wenigstens merken: Alle sind eins, wenn sie schlimme Gesichter machen.

Die nicht minder notwendigen Ausführungen zum Lidstrich-Gesicht und zum Gitarrensolo-Gesicht werden Teil der schriftlichen Dokumentation meiner Foto-Vernissage “Schlimme Gesichter aller Nationen” sein, unterstützt von der Stadt Bern und vom Migros Kulturprozent. Stay tuned.




*es war jemand zugegebenermassen jemand wirklich sehr Verzweifeltes

**Während dem Tippen dieses Abschnitts musste ich acht neun zehn elfmal gähnen. Dies ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich hoffe, dass Leser meines Textes gähnen müssen, einfach, um die Gewalt dieser universalen Geste der Menschlichkeit zu demonstrieren.

Uns fehlen die Worte.

“Consolation” bedeutet in Französisch sowohl Trost als auch Ruhe, in Englisch aber nur Trost, dafür gibt es dort “comfort”, was eine ähnliche Doppelbedeutung hat, nämlich Trost und Behaglichkeit.

Germanophone sind da viel präziser. Und viel ärmer dran, wenn das eine das andere nicht mit sich bringen kann. Wann erfindet endlich einer die Wörter, die uns fehlen?



Im gleichen Zug müsste nämlich auch ein besseres Wort für das her, was man gemeinhin mit “Hassliebe” betitelt. Ich versuchte im Rahmen einer ungezwungenen Konversation über Berufswünsche neulich zu beschreiben, was ich empfinde, wenn ich an die Musikbranche und ihre seltsamen Blüten denke. Es müsste ein Wort sein, das ebenso Abscheu, Faszination, die menschliche Unbedeutsamkeit, Angst und Neugierde einschliesst, aber etwas weniger positiv besetzt ist als “Leidenschaft”. Ich warte seither darauf, dass es mir zufliegt.

Ist das alles ein wenig wirr? Dann ist ja gut. Zum Thema seien die folgenden Links verewigt und empfohlen:

Joey Degraw über die Musikindustrie
Der Topf sagt was über “Liebe und Hass”

Patriotismus.

Wenn Stolz und Dankbarkeit in der richtigen Mischung zusammenkommen*, entsteht unbändige Freude. Ich kann manchmal fast nicht glauben, wie schön dieses Land ist.






*Man munkelt, es sei ein Verhältnis von etwa 1:100, aber bewiesen ist noch nichts.

Drei Gründe I.

Zum Beginn einer neuen Serie* im Liesenhausen:


Drei Gründe für ein ehrliches Lächeln. An einem einzigen Tag.

1. Ein winziges Schaf**, dass völlig aus dem Häuschen quer über die Weide raste, um sich am Zaun mit einem vorbeispazierenden Rentnerpärchen zu unterhalten.
2. Schlafende geschniegelte Banker im Zug.
3. Die freundliche Frau im Tankstellenshop. Das war etwa das fünfte Mal, dass sie mir in meinem Leben einen schönen Tag wünscht. Und das fünfte Mal, das ich dachte: Die meint das wirklich ernst. Landi, halt.



Nicht, dass es sonst keine Gründe gegeben hätte. Aber das waren drei, die niemand erwarten konnte.






* die vielleicht auch mehr als zwei Teile haben wird
** Lamm klingt nach Essen. Ich will aber einen Jöö-Effekt.

Warum macht er das bloss?

DISCLAIMER: Der folgende Blogpost ist von himmelschreiender Oberflächlichkeit. Aber auch nötig.


Gestern im Bus, da sass ich Colin Farrells deutlich jüngerem Bruder gegenüber. Oder zumindest einem sehr jungen Mann, der sich problemlos als solcher hätte ausgeben können. Er war besser rasiert als die Originalversion, hatte kürzere Haare und einen noch durchdringenderen Blick. Er stand sehr aufrecht und alles an ihm war extrem cool. Die abgeraffelten weissen Nikes*, das richtig alte Shirt; die Trainerhose konnte ich verzeihen, da er eine ebenso abgeraffelte Sporttasche trug und eindeutig gerade vom Training kam. Allerdings baumelten an seinem Kragen mehrere Halskettchen - das hätte mich eigentlich stutzig machen müssen. Ob meiner fundierten Beobachtung vergass ich jedenfalls, an meiner Haltestelle auszusteigen.

Dies sollte sich als fatal erweisen, denn nun musste ich beobachten, wie er seinerseits seine Tasche ergriff und sich zur Tür begab. Dies erforderte eine Drehung seines Körpers um 90 Grad. Und ebendiese Drehung offenbarte mir an seiner rechten Seite… ein winziges Umhängetäschchen. Eines von Louis Vuitton, oder eines das zumindest so tat**, als sei es von da. Ich war fassungslos. Zahlreiche Frauen in meinem Bekanntenkreis besitzen Portemonnaies mit mehr Fassungsvermögen als diese ekelhafte Entschuldigung für eine Handtasche bot. Und zu seinen Füssen stand eine riesige Sporttasche, in der noch zehn dieser Täschchen Platz gefunden hätten.

Es kann ihm also nicht um den Stauraum gegangen sein. Und iPhone und Portemonnaie sind in einem blöden Täschchen nicht leichter zugänglich als im Aussenfach einer grossen Sporttasche. Ich blieb in meiner grenzenlosen Verstörung noch zwei Stationen lang sitzen und meditierte über der Frage, was ihn dazu veranlasst haben könnte, sich so eigenartig zu verhalten. Und fragte mich, was schlimmer sei: eine so schwerwiegende Geschmacksverstauchung*** oder ein modisches Kindheitstrauma. Denn eins von beidem muss es gewesen sein.








*Wobei Kinderarbeit nicht cool ist. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

**Siehe dazu “Wyrd Sisters” von Terry Pratchett: “Things that try to look like things often look more like things than things. Well-known fact.”

***
Nur, um das klarzustellen: Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Handtaschen, auch bei Männern nicht. Aber die Taschenmänner, die ich kenne, tragen ja auch nicht Täschchen.

Möglichkeiten I.

Eigenartig: Kaum stirbt Michael Jackson, fangen plötzlich ganz ganz viele Leute wieder an, von einem Himmel zu reden. Es wäre schön, wenn die Menschen auch in ruhigeren Zeiten diese Möglichkeit im Hinterkopf behielten. Bevor Prince auch noch stirbt.

Ungeachtet der Varianten, wo er jetzt sein könnte, ist es ja schon traurig. Aber besser für ihn, behaupte ich. Ich hatte Bauchschmerzen beim Gedanken daran, dass er vielleicht nicht in der Lage wäre, diese fünfzig Konzerte erfolgreich abzuspulen. Dann hätten die Zeitungen mit Begeisterung über seinen fast vollständigen Zerfall hergezogen. Natürlich hat er das auch selber gewusst. Ich will nicht behaupten, dass er eines unnatürlichen* Todes gestorben sei. Aber ich behaupte, dass man nach jahrzehntelangem Schmerzmittelkonsum recht genau weiss, was man verträgt. Und eben auch, was man nicht vertragen wird.

Schade ist einfach, dass wir nicht erfahren werden, was noch in ihm gesteckt hätte. Aber ich opfere diese mir entgehenden Entdeckungen nicht ungern der Sicherheit, dass wir keinen fatalen Skandal mehr bezeugen müssen, der die Lichter über den guten Zeiten, die jetzt überall eifrig wieder mit mehr Wattstärke versehen werden, endgültig zum Erlöschen bringt. Es ist zugegebenermassen ein klein wenig erleichternd, dass der Mann jetzt nicht mehr kaputt machen kann, was er geschaffen hat. Durch diesen plötzlichen Abgang des Interpreten erhält sein Werk nun endlich wieder den Respekt, der ihm gebührt.


Wenn ich ein emotionaler Typ wäre, könnte ich jetzt noch etwas Schönes über Jackson sagen. Leider bin ich das nicht. Aber ich gönne ihm die Ruhe, vielleicht mehr als jedem anderen.





*Wenn es denn im Leben eines Michael Jackson irgend etwas Natürliches gibt.

Hüpfende Schlübbis.

Ich habe eine Marotte, die ich seit der achten Klasse hege und pflege. Das ist eine sehr lange Zeit, deshalb fühle ich mich deswegen mittlerweile nicht mehr abartig. Ich sammle Unterhosen. Bei der Auswahl neuer Stücke ist in erster Linie die Farbe bzw. Musterung entscheidend. Dies kann eine Erklärung für das Erlebnis im Waschsalon sein, dass gerade hinter mir liegt.
Ich fütterte die geduldige Maschine mit Wäsche und Waschpulver und verliess anschliessend den Salon, um auf einer Bank im kühlen Abendwind zu lesen. Als ich den Salon zwanzig Minuten später wieder betrat, sass ein Mann vor meiner Waschmaschine und starrte konzentriert hinein. Mir war das unnötigerweise etwas peinlich. Nachdem ich ihn etwa zwei Minuten in unveränderter Position betrachtet hatte, fragte ich höflich, was es denn da zu sehen gäbe.
Er hob seinen Silberblick zu mir empor und sagte: ‘Ist es nicht fantastisch? Die Farben! Die Farben!’
Ich schaute dem bunten Hüpfen und Drehen und Sich-überschlagen in der Trommel einen Moment lang zu und konnte es nicht ganz nachvollziehen.

Bin ich zu schweizerisch, oder ist das tatsächlich ein wenig indiskret, die Wäsche fremder Leute so genau zu inspizieren? Und sind Waschsalons nicht überhaupt die indiskreteste Einrichtung der Welt?