Banause.

Ich bin eine Banause. Jetzt weiss ich es ganz sicher. Ich verstehe gar nichts von Kunst, deshalb kann ich neunzig Prozent dessen, was unter diesem Begriff daseinsberechtigt ist, nicht gebührend würdigen. Und, ganz wie eine richtige Banause, schäme ich mich auch nicht dafür, nichts zu verstehen. Es ist mitnichten so, dass ich phantasielos oder interpretationsfaul wäre. Aber ich fühle mich eben einfach wohler, wenn es auch wirklich etwas zu interpretieren gibt. Deshalb beschränke ich mich meistens auf das, was ich verstehe. So wie sie:

Hüpfende Schlübbis.

Ich habe eine Marotte, die ich seit der achten Klasse hege und pflege. Das ist eine sehr lange Zeit, deshalb fühle ich mich deswegen mittlerweile nicht mehr abartig. Ich sammle Unterhosen. Bei der Auswahl neuer Stücke ist in erster Linie die Farbe bzw. Musterung entscheidend. Dies kann eine Erklärung für das Erlebnis im Waschsalon sein, dass gerade hinter mir liegt.
Ich fütterte die geduldige Maschine mit Wäsche und Waschpulver und verliess anschliessend den Salon, um auf einer Bank im kühlen Abendwind zu lesen. Als ich den Salon zwanzig Minuten später wieder betrat, sass ein Mann vor meiner Waschmaschine und starrte konzentriert hinein. Mir war das unnötigerweise etwas peinlich. Nachdem ich ihn etwa zwei Minuten in unveränderter Position betrachtet hatte, fragte ich höflich, was es denn da zu sehen gäbe.
Er hob seinen Silberblick zu mir empor und sagte: ‘Ist es nicht fantastisch? Die Farben! Die Farben!’
Ich schaute dem bunten Hüpfen und Drehen und Sich-überschlagen in der Trommel einen Moment lang zu und konnte es nicht ganz nachvollziehen.

Bin ich zu schweizerisch, oder ist das tatsächlich ein wenig indiskret, die Wäsche fremder Leute so genau zu inspizieren? Und sind Waschsalons nicht überhaupt die indiskreteste Einrichtung der Welt?

Ratatouille.

Ich schätze von allen Dingen im Leben das Schlafen, das Essen und das ziellose Wandern am allermeisten. Heute, als ich letzterem frönte, nachdem ich vorletzterem gefrönt hatte, kam ich an diesem Laden vorbei:



Ich ging hinein und fragte den Mann, ob die Geschäfte seit dem Film besser liefen. Nein, sagte er, aber wir müssen die Scheibe jetzt jeden Tag putzen. Früher reichte zwei Mal die Woche.


Blöde Touristen.

Kultur.



Wenn man wollte, könnte man in Paris jede Menge hochstehende Kulturanlässe besuchen. Es gibt auch richtig viele Leute, die das wollen und tun. Die schauen sich dann für 60 Euro die zweifelsohne sehr erbauliche Inszenierung eines Molière-Stückes an - schau mal Martheli, jetzt sind wir in Paris, da passt das doch - und gehen nachher zurück ins Hotel, ohne etwas von der Kultur mitbekommen zu haben. Da schmerzt es gewaltig, in der Tube Métro Rivoli am gleichen Abend sechs betrunkene Armenier zu hören, die herzzerreissende Heimatlieder singen und jeden umarmen, der ihnen ein paar Sou in den Hut legt. Abgesehen von der unter Alkoholeinfluss geschmälerten Sangesqualität waren sie richtig gut, in dem was sie taten. Sicher nicht vergleichbar mit einer Molière-Inszenierung, aber auch nicht unbedingt weniger wert. Mir haben sie jedenfalls für eine Viertelstunde das Herz geöffnet.



Morgen, bzw. heute findet übrigens in ganz Frankreich die Fête de la musique statt. Man stelle sich das vor: In allen Städten eines Landes wird einen Tag lang Musik gemacht. In den Bars, in den Strassen, auf den Plätzen vor den Regierungsgebäuden. Und niemand hat was dagegen. Danke, Sarkozy.

Wo Milch und Honig fliessen.

Ah, Paris. Auf nichts muss man hier verzichten. Aber auch wirklich auf gar nichts:



Bekanntlich verabscheue ich diese Dinger. Man könnte ja meinen, der Gare de l'Est habe als eines von vielen logistischen Zentren der Stadt eine Ausrede, schundige Pendlerzeitungen auszulegen. Aber nein, sogar an der RER Luxembourg, einer der wenigen Métrostationen, die nur von einer einzigen Linie bedient werden, stehen solche Kasten. Und diese ‘Zeitungen’ sind sehr beliebt. Manchmal, da gruselts mich vor den Städtern.

Allerdings muss ich zugeben, dass mich das hiesige Konsumangebot völlig überwältigt. Ich bin dem Pauschaltourismus ebenso verfallen wie den Promos in der Fnac (für Zürcher: Orell Füssli hoch 3, für Berner: Jäggi hoch 5). Denn es ist Paris, und in Paris muss man auf nichts verzichten. Aber auch wirklich auf gar nichts:

Die ersten Deppen.


Kaum bin ich da, schon die ersten seltsamen Gestalten. Der Mann in der Mitte hat heute vor dem Centre Pompidou eine mit viel Genitalakrobatik gewürzte Performance Publique veranstaltet. Das heisst, wirklich publique, denn die Protagonisten waren ebenfalls en public rekrutiert. Da war also die typische Situation: Künstler sucht Opfer zum Vorführen eines Tricks - das ganze Publikum duckt sich urplötzlich und versucht unauffällig zu wirken. Die drei, die es letztendlich doch erwischt hat, taten mir ganz ehrlich etwas leid. Aber so ist das eben, wenn man sich nicht früh genug dumm stellt und auf Anfragen mit konsterniertem Ausdruck laut und deutlich in Berndeutsch antwortet. ‘Oh Mademoiselle vous êtes si jolie bla bla bla je vous fais un portrait bla bla 15 Euros seulement’ - 'Jawoll, vor Schwiz. Neeei merci. Adie, nei.’

Paris, je t'aime.

Ich besuche meine alte Liebe. Ich habe dort voraussichtlich kein Telefon, worauf ich mich besonders freue. Das muss ja ein unglaubliches Gefühl sein.
Im Liesenhausen wird ab und zu das Neuste zu lesen sein. Besucht mich doch einfach, ich wohne am Jardin du Luxembourg. Bis bald!