Wunderbare Figuren.

Ich möchte nicht in einer grossen Wohngemeinschaft leben. Einfach, weil ich es schätze, zu wissen, wem die getragenen Socken im Wohnzimmer gehören, wer die Bratpfanne mit undefinierbarer, aber vermutlich atomar nicht unbedenklicher schwarzer Masse bedeckt hat stehen lassen, in wessen Zimmer die gute Schere gerade ist und wer sich über meine Joghurts hergemacht hat. Da wo ich wohne, lautet die Antwort auf diese Fragen* immer entweder “Du” oder “Ich”.

Das ist wunderbar einfach. Ausserdem kann ich nicht mit grossen Kühlschränken umgehen, mir vergammelt der Rahm - trotz UHT - sogar in unserem Camping-Modell, weil ich ihn zu lange nie finden kann.

Eine Ausnahme würde ich wohl machen mit diesem lustigen Haufen aus der Villa Kunterbunt 2.0. Da würde ja jeder einziehen! Schon als ich den Musiker habe sagen hören, sein neues Video sei von Wes Anderson inspiriert und Fanny Ardant spiele mit, wusste ich, dass das herrlich lustig wird. Ich kann nichts dafür, es hat mich einfach eingesogen. Elle m'a dit: danse!

Alors on fait quoi?





*und natürlich auf die siebenhundermillionendrölftausend anderen, die man auflisten können, und die keinen** interessieren.

**Ausser, er lebt in einer grossen Wohngemeinschaft.

Von Treue und Vergebung.

Vor einiger Zeit hatte ich einen schweren Schlag zu verarbeiten, als meine zweitliebste Stimme auf Erden eine fürchterliche Single veröffentlichte. Mein Songwriting-Idol hat sich von irgend so einem hodenunterkühlten Hitroboter* dreinreden lassen. Was dabei herauskam, war die akustische Entsprechung des Gefühls, das man hat, wenn man mit einer frischen Zahnfüllung auf Alufolie beisst. Das Trauma hatte auch einen positiven Effekt. Trotzdem war ich wirklich niedergeschlagen. Als ich herausfand, dass der Produzent der Single auch beim Titelsong als Co-Writer aufgeführt sein würde, erstickte die zarte Flamme meiner Hoffnung bis auf einen letzten Funken.

Dem wurde dann aber eifrig zugefächelt, als ich ein verwackeltes Youtube-Video mit mittelmässiger Soundqualität von einem aktuellen Konzert sah. Da hörte ich einen weiteren neuen Song, der das gleiche bewirkte wie die früheren: Ich wollte mir daraus ein Haus bauen und darin wohnen. Getrieben vom festen Glauben und unzerstörbarer Loyalität** bestellte ich die Scheibe also doch. Heute habe ich sie gehört. Das war sehr gut.

Die Single ist und bleibt der absolute Tiefpunkt. Daneben gibt es noch ein paar mehr oder weniger kleine unnütze Unmöglichkeiten, die live hoffentlich wegfallen werden. Aber in der Essenz ist das Alte noch da. Der Songwriter ist nicht verloren gegangen. Da sind immer noch die Hymnen, die Schnulzen, die Licks wie scharfe Schrauben, die sich ins Herz bohren, bevor man sich auch nur ansatzweise von den schmerzhaft direkten Textzeilen erholt hat. Und entgegen aller Befürchtungen*** hat die Stimme trotz des liederlichen Lebenswandels noch nichts von ihrer Urgewalt eingebüsst. Mein Herz war beim siebten Track schon wieder Butterweich und nach dem zehnten vollständig zurückgewonnen.

Jetzt muss er nur noch aufhören, so viel zu saufen, damit er auch wieder anständige Konzerte geben kann. Dann vergebe ich ihm auch die ersten beiden Tracks auf dem Album.


Er sagt gleich noch selber etwas dazu. Die Snippets sind kaum der Rede wert, man muss das Album trotzdem kaufen:



*der ein irrsinnig cleverer Geschäftsmann ist. Das muss man ihm lassen. Aber da ist halt einfach zuviel von diesem geschwollenen Sound, so mit künstlichem Handclap und Bassdrum, die klingt, als würde man in der Waschküche spielen. Schlicht zum Kotzen.

**und mit einer sehr guten Ausrede für alle Fälle im Hinterkopf

***und aller Vernunft

Reicht das nicht?

Beim ernüchternden Studium* eines sehr, sehr guten Lehrbuches über Musiktheorie liess ich mich neulich zu einem Gedankenexperiment hinreissen. Wenn ich im Teenageralter, dass ich musikalisch für eine sensible Phase halte**, nicht mit Jazz in Kontakt gekommen wäre - würde mir dann heute die einfache Musik reichen, die mir als Kind gefallen hat? Nicht, dass die mir nicht mehr gefällt. Aber sie reicht halt nicht mehr.

Meine Ohren wollen Abwechslung, das haben sie früher nicht verlangt. Mit zehn Jahren konnte ich mehrere Wochen lang Jean-Jacques Goldman hören*** und zumindest mehrere Tage die Hanson-Brüder****. Jetzt kann mich die grossartigste CD nicht mehr allein glücklich machen. Ich höre etwas heraus, das ist wie woanders, und dann muss ich das andere hören, um es zu überprüfen, dann erst kann ich wieder zur grossartigsten CD zurück. Und werde inzwischen merken, dass es eine grossartigste CD gar nie geben kann.

Es ist ein Dilemma. Inzwischen bin ich froh, dass das Einfachste und Schönste überhaupt mich zwischendurch immer noch berührt. Ein einfaches Lied, ein bisschen Klavier, eine Bombenstimme. Und hübsch ist sie auch noch! Dieser dramatische Blick. Edith Piaf im Körper eines britischen Plus Size Models. Meine Güte!





* Es hat sich herausgestellt, dass ich deutlich mehr vergessen habe, als ich je gelernt zu haben glaubte.

** Deshalb ist es auch so verheerend, wenn Jugendliche sich völlig auf einen Musikstil einschiessen. Da sind mir sogar die lieber, die ihren Musikgeschmack mit “ja halt so ein bisschen alles” zusammenfassen.

*** Trotz der Stimme. Er konnte halt auch noch Geige spielen.

**** Die übrigens letztes Jahr ein tadelloses Album rausgebracht haben. Ehrlich!

Eine Art kosmisches Gleichgewicht.

Mein erklärter Lieblingsmusiker hat mich mit der Veröffentlichung seiner letzten Single bitterst enttäuscht. Aus pietätsgründen nenne ich keine Namen.

Um das wieder gut zu machen, hat mich mein Musikgeschmack in diesen Tagen zu Newton Faulkner zurückgeführt. Ich habe keine so gute Story dazu wie bei Amos Lee, ich habe ihn ganz konventionell entdeckt. Ich war beim Blue Balls Festival, mein Sinn war offen für neue Musik, ich habe den Namen auf einem Plakat gelesen, ihn gemyspaced oder so. Mein offener Sinn und ich waren sofort begeistert.

Danach habe ich ihn einfach vergessen. Für ein Jahr.

Letzten Monat habe ich eine Aufzeichnung seines Blue Balls-Konzerts gesehen. “I took it out on you” hat mich bis zur ehrlichen Rührung erschüttert. Logisch, dass ich danach beide CDs auftreiben musste. Heute ist die zweite gekommen. Bald werde ich Zeit finden, mich darauf einzulassen. Inzwischen empfehle ich wärmstens die, die ich schon kenne und liebe: “Rebuilt by humans”, erschienen 2009. Mit so was wird man heute glücklich!

So ganz nebenbei: Es lässt sich zwar in den Studioversionen nur erahnen, aber dieser Hippie ist ein fantastischer Gitarrist. Wirklich. Fantastisch!

Ich habs getan. Mit dem Puderzuckerbuben.

Es hat kaum weh getan. Und auch nicht besonders lange gedauert. Ich habe insgesamt drei, also zwei ganze und zwei halbe Videos von Justin Bieber angeschaut. Mein Fazit:
Ein ganz normaler vierzehnjähriger Multimillionär* mit niedlichem Milchgesicht, der Frauen nachrennt, die etwa fünf Jahre älter aussehen**, Videospiele und zu grosse Hosen mag und für einen Jungen seines Alters ausserordentlich gepflegte Zähne hat.

Das Ausmass des zugehörigen Merchandising mag furchteinflössend sein. Aber die Songs und die Show sind wirklich erfrischend harmlos. Wenn ich mal Kinder habe, dürfen sie gerne Justin Bieber hören***. Aber ich werde ihnen raten, es nur heimlich zu tun und mit niemandem darüber zu sprechen.





* Beide Zahlen sind grob geschätzt.
** Und sie dann auch kriegt, wie jeder vierzehnjährige Mulitmillionär.
*** Da ich sowieso plane, erst welche zu haben, wenn ich ihnen schallisolierte Zimmer einrichten kann.

Es ist wie mit der Liebe. Hoffentlich.

Ich weiss noch recht genau, wie ich ihn kennengelernt habe. Ich war etwa siebzehn, es war Sommer, und ich war irgendwo in Frankreich.

Über den schlecht geteerten Strassen flimmerte die Luft und die grelle Sonne liess einen die Augen selten mehr als halb geöffnet halten. Die Autofahrten von einem Ort zum anderen dauerten ewig, und sogar der Fahrtwind war stickig. Die Hitze drückte unsere Lebensgeister tief in die Autositze und liess uns wie zufriedene Zombies über die Riviera taumeln. Denken wog zu schwer, deshalb beliessen wir es beim Entscheiden: Wo fahren wir als nächstes hin? Kaufen wir jetzt Wasser oder später? Ich war lange nicht so glücklich gewesen.*

Irgendwann gerieten wir mitten in der Pampa an eine Tankstelle mit einem sehr, sehr kleinem Supermarkt. Zwischen Alu-Sonnendecken für die Windschutzscheibe, Strassenkarten, Kühlwasser, Handseifen, Zahnbürsten, Cola, Chips, Kreuzworträtselheften und Plüschtieren prangte eine stolze kleine Auslage von Tonträgern. Zu meiner grossen Überraschung hing ein Kopfhörer dabei, mit dem man offenbar mindestens eine der Scheiben probehören konnte.

Froh darüber, einen guten Grund gefunden zu haben, um noch einen Moment in der angenehmen Kühle des Tankstellenladens verweilen zu können, spreizte ich mit müden Fingern den Halter der Hörmuscheln und tauchte ein in fremde Töne und Melodien. Nichts liess mich erahnen, wie vertraut sie mir werden sollten. Verwundert beobachtete ich, wie sich die Haare auf meinen Armen aufstellten, als die samtenen Töne in meine Ohren eindrangen und über meinen Rücken rieselten. Wäre diese Musik ein Ort gewesen - ich hätte genau gewusst, wo wir als nächstes hinfahren. Und vielleicht für immer bleiben.

Das Verrückte ist: Zwei Jahre später ertrug ich es nicht mehr, ihn singen zu hören. Seine Stimme ging mir dermassen auf den Wecker, dass ich schon bei der Erwähnung seines Namens ein Gesicht wie saure Milch machte. Er war in jenem Sommer meine nächstbeste grosse Liebe gewesen, und wir waren uns viel zu nahe gekommen. Ich hatte die ganze Scheibe binnen zwei Jahren totgehört.

Über die letzten Jahre hat hie und da wieder eine kleine Annäherung stattgefunden. Ein-, zweimal habe ich sogar die ganze Platte am Stück angehört. Aber es wäre mir nicht eingefallen, das zweite und dritte Album anzuschaffen. Schliesslich sah ich letzten Montag im Schaukasten des bestpositionierten Plattenhändlers in meiner Stadt sein mittlerweile viertes Album liegen. Vielleicht gefiel mir auch einfach nur das Cover. Aber ich war neugierig. Und heute habe ich es mir angehört.

Ich hörte die ersten paar Takte des Openers - und war zu Hause. Und war siebzehn. Und gleichzeitig so froh, nicht mehr siebzehn zu sein. Wie damals habe ich die Hörprobe nach fünf Minuten abgebrochen und die Scheibe zu einem völlig überrissenen Preis gekauft. Weil ich sie sofort, sofort haben musste. Weil ich gar nicht sicher war, ob ich sie wieder aus der Hand legen könnte, selbst wenn ich das wollte.

Und ich liebe, was er tut, mehr denn je. My heart is a flower, too.**





*Die üblichen Teenagerprobleme, Sie wissen schon. Zu klein, zu dick, niemand wird mich jemals mögen und wie finde ich bloss heraus, was ich werden will?


**Vielleicht habe ich irgendwann Musse, eine ordentliche CD-Kritik darüber zu schreiben. Vermutlich nicht.

Nackenhaare auf 90°.

Die Rahmenhandlung* ist nicht spektakulär. Sie illustriert höchstens drei Dinge, die wir schon lange wissen:

1. Jungs, die schon in der Primarschule richtig gut ein Instrument spielen, können einfach nicht kämpfen.
2. Das immergrüne Szenario einer Kneipenschlägerei: Zwei hauen sich, keiner weiss, warum und am Ende muss es wieder die Bitch regeln.
3. Und natürlich, fast unauffällig: Cello = Sexappeal**

Aber: Die Musik! So viel Wahnsinn in so wenigen Tönen. Und so viel Meisterklasse. Das muss man erlebt und durchlitten haben. Und Hausers Marketingkonzept greift dermassen unerbittlich, dass man ihm dafür sogar als Mann*** Respekt zollen darf: Beherrschen eines Instruments plus Britpop-Stirnfransen, Lederjacken und homoerotisches Gefunkel - da weiss einer, wie man Geld verdienen kann. Bra-vo!





* , die mir erst mal noch schlüssig beweisen müsste, dass sie diesen Namen verdient
** Bewusst ohne Mengenangabe.
*** Ich habe das bestätigen lassen. Von einem, der sein Geld mit dem männlichsten aller Instrumente verdient. Falls Sie das auf obszöne Gedanken bringt, holen Sie Hilfe. Ich spreche von einem Schlagzeug.

Besser Leben mit iTunes.

Ich stand schon immer auf dieses Brief-an-sich-selber-schreiben-und-in-ein-paar-Jahren-lesen-Ding, aber das ist noch viel besser:

Ich bin ein grosser Fan meines eigenen Musikgeschmacks, deshalb höre ich mich ab und zu gern mal durch “Meine Top 35”, die iTunes freundlicherweise ständig für mich ermittelt und aktualisiert.

Heute war ich bei meinen Eltern, wo ich meinen ersten iPod fand, der nun gut zehn Monate lang nie an mein iTunes angeschlossen war. Auf dem ganzen Weg zurück in mein neues Zuhause hörte ich mich also durch meine Top 35 von damals - die Songs*, die mich vor zehn Monaten glücklich oder sonstwie betroffen gemacht haben. Das ist so ähnlich wie ein Brief von früher. Und hat mich auf eine Idee gebracht, die ich gerne teilen will.

Liesenhausens Ratschlag für ein besseres Leben No. 352: Speichern Sie jährlich einmal** die “most played”-Liste des Musikwiedergabeprogramms Ihres Vertrauens in einem eigens dafür angelegten Ordner. Staunen und Wiederentdecken garantiert.


Es gibt offenbar vier Songs, die über die letzten zehn Monate in meiner Top 35 verblieben sind. Und das ist die Art von Statistik, die mich interessiert. Das Verrückte ist: Zu jedem der Songs gibts mindestens eine Geschichte. Und sie fallen einem alle wieder ein. Probieren Sie’s aus!



*Natürlich war der Akku voll geladen. Ist ja mein iPod.

**Zum Beispiel immer zu Weihnachten.

*** Like a rolling stone (Bob Dylan), It’s about time (Jamie Cullum), Perfectly Lonely (John Mayer), This old heart of mine (The Isley Brothers)

Ich bin da so reingeraten.

Ich bin durch die halbe Schweiz gereist, mit Leuten, die durch die ganze Schweiz gereist sind, um einen zu sehen, der äusserst selten in die Schweiz reist.

Den haben wir dann königlich verpasst*. Aber weil der Saal Klasse hatte, der Ticketpreis hoch, die Reise weit und die Stimmung nach wie vor wunderbar war, gab man sich ohne viel Widerstand halt der Show hin, die da als nächstes geboten werden sollte. Ich war seit ziemlich genau einem Jahr nicht mehr ohne jegliche Erwartungen auf einem Konzert: Es stellte sich damals als Bereicherung heraus. Diesmal war es schon eine Art Geschenk. Ich habe an diesem Abend viel Wahnsinn gesehen. Und viel über Groove gelernt. Nicht über die Art von Groove, die ich schon kannte, aber über eine, von der ich noch mehr wissen muss. Und über Imagetricks. Chapeau, Junge, dafür dass du offenbar** vom Castingshow-Ken*** zur geilen Kunstfigur mutiert bist! Und herzlichen Glückwunsch zu dieser Wundertruppe, die dich mehr als würdig begleitet. Yodelice wird wieder kommen. Und ich werde vermutlich dabei sein.




*Natürlich gibt es dazu eine Geschichte. Sie enthält etwa ein Dutzend Verrückte, davon vier Konzertbesucher, drei Techniker, einen Ticketverkäufer, eine Veranstaltertussi und mindestens drei betrunkene Abtaster/Türsteher. Aber die ist wirklich nur interessant, wenn man dabei war.

**Wenn Youtube nicht wäre, hätte ich dem das niemals zugetraut. Und das ist ein Kompliment, das man nicht mit Gold aufwiegen kann.

***Wie bitte, die Jugend von heute weiss nicht mehr, wer Ken ist?

Ein Held.

Da kommt einer fast allein, obwohl er die wildeste Soulkapelle hinter der Bühne hätte, die ich je gehört habe*. Und zeigt, dass er den Groove mit Löffeln gefressen hat. Und das dermassen cool und unaufdringlich und wunderbar. Ist das ein Held?



Nebenbei bemerkt ist der Song ja wohl der absolute Kracher. Und der Text schon schmerzhaft treffend. Was die Frage, die nie eine war, endgültig beantwortet. Sein Konzert in der Kufa war grandios, grandios, grandios. Zu schade, um es in Worten zu zerpflücken! Wer nicht da war, soll am 12. 12. ins Moods gehen oder schon mal mit Dehnen anfangen, damit er sich in den Arsch beissen kann, wenn er merkt, dass ers schon wieder verpasst hat.


*Womit sie die von Amy Winehouse / Mark Ronson ablöst, und die war wirklich - pardon für den Ausdruck - saugeil!

Zehn Dinge IV - Ich bin reif für den Abtransport.

Zehn teilweise unglaubliche Entdeckungen einer einzigen Woche. Wer hätte gedacht, dass das möglich ist?

1. Am Abend des Aufräum-, Heimreise- und Lastwagenausladetags nach dem töllsten Lager der Saison bringt ein ganzer Stall voll Teilnehmer und Leiter noch die Energie auf, bis morgens um Weissnichtwann zu feiern - vermutlich einfach, weil noch niemand richtig heim wollte.

2. Um Punkt 1 zu untermauern: Wie geil muss ein Lager sein, wenn man danach nicht genau sagen kann, ob die Leiter oder die Teilnehmer den schlimmeren Koller haben? Eben!

3. Doch, man kann am Montagmorgen um 7.40 nach einer solchen Woche tatsächlich eine neue Klasse unterrichten.

4. Und ja, die Trotzstrategien aus der Pubertät funktionieren auch mit über 20 noch beim Mitarbeitergespräch.

5. Unter der Woche Konzerte besuchen macht am nächsten Tag nicht müde, sondern einfach unglaublich entspannt.

6. Vokuhilas kommen unaufhaltsam wieder*. Danke Dende.

7. Zweimal hintereinander Blumentopf machts nur noch besser.

8. Sommercasino Basel 1 - Bierhübeli Bern 0**.

9. Man kann mit den Menschen reden, selbst wenns um Geld geht. Das ist geprooft.

10. Man kann sich noch so ausgiebig mit Komplimenten beschäftigen, sie erforschen, sie zerlegen: Plötzlich kommt eines, bei dem einem die Spucke wegbleibt.

10b. Das ist dann hurti etwas peinlich. Aber enorm schön.







* Liesenhausen wird bald öffentlich dazu Stellung nehmen.

** Schon ok. Sie müssen dafür mit dem FCB leben.

Anpassungen.

Hypothese 1: Es gibt für jeden ein paar Dinge, von denen er denkt, dass die eigentlich jemand produzieren sollte, damit die Welt sie kaufen kann.

Weil das so praktisch wäre für einen selber, dass man gar nicht glauben kann, dass noch niemand die Idee hatte, es industriell zu vertreiben. In diesem Unglauben stellt sich dann meistens berechtigterweise die Frage, ob der eigene Geschmack eben doch nicht unfehlbar und die eigenen Bedürfnisse vielleicht doch etwas eigenartig seien - wenn man ja nicht nahezu alleine wäre damit, würde sicher der Markt die Nachfrage längst durch ein entsprechendes Angebot befriedigen.

Hypothese 2: Mein Geschmack ist tatsächlich unfehlbar. Deshalb passt sich die Welt schrittweise meinen Vorstellungen an.


Dafür gibt es vorläufig zwei Argumente: Ich führe eine Liste mit Dingen, die meiner Meinung nach endlich erfunden oder hergestellt werden sollten. Darauf befand sich lange Zeit der Erdbeer-statt-Waldbeer-Joghurt-Balisto-Riegel. Und was entdecke ich beim Einkauf vor einigen Wochen?Richtig! Den kläglichen, aber ehrbaren Versuch von Mars, mit etwas mehr Mehl das Vakuum zu stopfen, dass die Abschaffung der Lila Pause hinterlassen hat. Na endlich! Geschmacklich hat es dann nicht komplett überzeugt, aber das ist eine andere Geschichte.

Das zweite und ungleich viel wichtigere Argument liefert ein französischer Künstler, der ursprünglich nach dem Baseballs-Prinzip mehr oder weniger aktuelle Hits coverte - nur dass er halt ein Soulman und kein Rockabilly-Kid ist und dementsprechend sogar Plastikpop* in hörgasmische Zeitdokumente der gar nicht so serbelnden festländischen Musikszene verwandeln kann.



Und dann sogar noch mit tollem Video! Vielleicht hat nicht die Welt darauf gewartet. Aber ich!





*Wobei beim ausgewählten Beispiel natürlich im Original nicht von Plastikpop gesprochen werden kann. Aber der gute Mann covert sogar Barbie Girl so, dass einem fast die Löffel wegfliegen.

Menschen, die nie sterben sollten, Teil 5: Tony Prince.

Eine Radiosendung ist dann gut, wenn man dazu nicht arbeiten kann. Als heute Nachmittag Tony “your royal ruler” Prince’s Scrapbook of Radio History live vom International Radio Festival über den Äther dröhnte, wagte der geneigte Hörer kaum zu atmen, weil man ja etwas verpassen könnte. Es könnte wirklich sein, dass ich vor Vorfreude auf den Dokumentarfilm, den der Mann gerade produziert, einfach platze.


Tony Prince ist eine lebende scheiss Legende!* Das war er bereits, als er noch an Bord der MS Caroline**, der schwimmenden Mutter aller Piratenradios als DJ amtete. Er hat so lange die vier seltsamen singenden Pilzfrisuren aus Liverpool gespielt, bis die Welt bereit war für die Beatlemania, er hat den Tod von Elvis Presley verkündet, später dann Turntables zum Musikinstrument erklärt und so ziemlich jedes musikalische Rundfunkformat revolutioniert, das uns erhalten geblieben ist.

Natürlich ist er heute ein Spiesser. Dass er immer noch mit unverhohlener Begeisterung davon erzählt, was er in seiner Zeit als DJ alles erleben und machen durfte***, dass seine butterweiche Stimme immer noch zittert, wenn er von Elvis’ schwerer Krankheit vor dessen Ableben spricht, dass er wie ein aufgeregter kleiner Junge Songs unterbricht, um noch schnell dazu zu sagen, was er vorhin vergessen hatte, das alles entschuldigt ihn aber wahrlich ausreichend dafür, dass er sich mit dem Schwinden der Jugend den Freuden der materiellen Sicherheit hingegeben und einen Haufen Geld mit Wedding TV verdient hat. Und das versetzt ihn nicht zuletzt in die Lage, uns undankbaren Jungspunden als Zeuge einer Wahnsinnsära der Musikgeschichte zur Verfügung stehen zu können. Möge er der Welt noch lange erhalten bleiben.

Ich muss es mir noch ein paar Mal sagen: Ich habe heute Tony Prince live gehört. Er hat für mich und die Welt Michael Jackson gespielt. Besser kanns eigentlich kaum noch werden.




*Die ordinäre Ausdrucksweise sowie das unnötige Ausrufezeichen seien mir vergeben. Es ist telinomal wahr!

**All jenen Unglücklichen, die den sensationellen Film “The boat that rocked” nicht gesehen haben, sei er hier wärmstens empfohlen. Die, die ihn bereits kennen, sollten ihn dringend mal wieder schauen. Tony Prince hat ihm Absolution erteilt, indem er sagte, er würde die Stimmung der Sendephase von Radio Caroline gut treffen. Nur das mit den Orgien sei so nie passiert.

***“machen durfte”, nicht “geleistet hat”,

Drei. Zwei. Eins. Boom!

Ich erwarte mit Grauen den Tag, an dem John Mayer vor lauter Talent einfach explodiert. Dieses Video ist aus dem Jahr 2005, und es war da schon kaum zu glauben. Heute ist er ja noch besser, aber auch nicht mehr sympathisch. Muss er wohl gar nicht mehr sein.





Trotz allem führt kein Weg daran vorbei, diesen Song zu lieben. Wo er recht hat, hat er recht.

Uns fehlen die Worte.

“Consolation” bedeutet in Französisch sowohl Trost als auch Ruhe, in Englisch aber nur Trost, dafür gibt es dort “comfort”, was eine ähnliche Doppelbedeutung hat, nämlich Trost und Behaglichkeit.

Germanophone sind da viel präziser. Und viel ärmer dran, wenn das eine das andere nicht mit sich bringen kann. Wann erfindet endlich einer die Wörter, die uns fehlen?



Im gleichen Zug müsste nämlich auch ein besseres Wort für das her, was man gemeinhin mit “Hassliebe” betitelt. Ich versuchte im Rahmen einer ungezwungenen Konversation über Berufswünsche neulich zu beschreiben, was ich empfinde, wenn ich an die Musikbranche und ihre seltsamen Blüten denke. Es müsste ein Wort sein, das ebenso Abscheu, Faszination, die menschliche Unbedeutsamkeit, Angst und Neugierde einschliesst, aber etwas weniger positiv besetzt ist als “Leidenschaft”. Ich warte seither darauf, dass es mir zufliegt.

Ist das alles ein wenig wirr? Dann ist ja gut. Zum Thema seien die folgenden Links verewigt und empfohlen:

Joey Degraw über die Musikindustrie
Der Topf sagt was über “Liebe und Hass”

Reformen.

Ich tue mich schwer mit Neuerungen in bewährten Systemen. Trotzdem musste anlässlich des Mumford & Sons - Albums diesem Blog eine zweite CD-Kategorie hinzugefügt werden. Diese ist vorläufig nur ein Provisorium. Aber seit ich diese Scheibe besitze, bin ich pausenlos geradezu ekelerregend glücklich, weshalb eine etwas dauerhaftere Würdigung natürlich auf der Hand liegt.

Nichtsdestotrotz bestreiten den eigentlichen Soundtrack des Monats aber die tapferen Mannen von Dabu Fantastic, weshalb sie an der dafür angemessenen Stelle erwähnt werden. Die neue Scheibe entschädigt mich zehnfach für die davor, wenns denn überhaupt nötig war. Und fuck, gehen die ab auf der Bühne. Immer älter, immer wilder. Rockt!


Diese Reform musste übrigens nur ein Gremium überzeugen. Und voilà. Ein andermal wieder mit Inhalt!

Herz. Ergreifend.

My heart told my head “this time no, this time no”.

Mein Herz sagt hierzu gar nichts mehr, weil es gerade vor Liebe überlaufen ist und sich zuerst erholen muss. Was auch immer diese Männer machen, sie machen es besser als alle anderen. Und wer diesen Text nicht versteht, hat kein Herz. Oder es zumindest noch nie benutzt.



Mumford & Sons. Glaubt dem Hype! Kauft die Platte! Werdet glücklich!

We are hardcore.

Das Wort gefiel mir schon immer, weil es so gerne von hühnerbrüstigen Pubertierenden benutzt wird, um irgendwelche Aktionen zu kommentieren, für deren Inangriffnahme meist eine anteilsmässig variable Mischung aus Mut und jugendlicher Blödheit* vonnöten ist. Etwa:

“Du, dem sein Cousin der ist letzten Sommer im Fall ab der Monbijoubrücke gegumpt.” - “Whoa, echt? Hardcore, mann!”**

Viel stärker als von Pubertierenden wurde mein lexikalisches Feld des Ausdrucks “hardcore” von Musik geprägt. Wikipedia listet verdankenswerterweise unter dem Begriff die folgenden Stile auf: Hardcore Punk, Hardcore Techno, Hardcore Elektro, Hardcore Hip Hop, Hardcore Metal, Hardcore Rap, Industrial Hardcore, Hardcore bla bla bla. In keine dieser Sparten, nicht mal am Rand einer solchen, ist das einzuordnen, was ich gestern gehört habe***. Doch ich habe erkannt, dass hardcore gar nichts mit dem Musikstil zu tun hat. Ja, wir waren auf einem Pop-Konzert. Nun, eigentlich kein Konzert, sondern eine Art Zirkusvorstellung mit erstaunlich viel Musik und grandiosen Videoanimationen. Alles war bunt und funkelnd, riesige Puppen tanzten auf der Bühne, irgendwann regnete es goldene Konfetti, der Sänger trug lila Unterhosen und die Hälfte des Publikums Leggings in Farben, die eigentlich nach den 80ern vorsorglich (da sich die Geschichte immer wiederholt) hätten verboten werden müssen. Aus zwei Gründen war die ganze Aktion trotzdem hardcore:

1. Keine 24 Stunden vor Konzertbeginn hatte sich mein silbern bezylinderter Begleiter einer Blinddarmoperation unterziehen müssen. Trotzdem stand er aufrecht da, hübsch herausgeputzt und bester Laune, inklusive tierischer Schmerzen bei jedem Lacher. Das ist echte Leidenschaft.

2. Ich lief den ganzen Tag ohne Hosen in der Stadt herum. Ich hatte keine Möglichkeit, mich zwischen Uni und Konzert umzuziehen, also wurde dem Kostüm fürs Konzert**** der Vorzg gegeben. Ich war also in Leggings an der Uni, nur um am Abend gut auszusehen. Für meine Verhältnisse ist das hirnrissig. Aber das ist voller Einsatz.

Ausserdem ist es auch ziemlich hardcore, eine solche Show fast fehlerfrei dreisprachig durchzumoderieren, während man völlig sauber singt und klaviert und mimt und herumpost und tanzt wie ein Derwisch. Dieser Mika ist ein genialer Saucheib, und von der Musik halte jeder, was er wolle. We are golden - amen.




*Leichtsinn" wäre ein zu weiches Wort. Wirklich, die machen zum Teil recht blödes Zeug!
**Nein, der Dialog ist nicht ganz frei erfunden.
***Selbst wenn da, zu meiner leichten Enttäuschung, auch viel elektronische Unterstützung dabei war.
****, das auf Wunsch des entblinddarmten Freundes möglichst golden zu sein hatte,