Er fragte: “Bist du aus der Romandie? Französin?”
Sie sagte: “Nur Teilzeit.”
Mitgehört V.
Folgende einleuchtende Erkenntnis kam mir dieses Wochenende zu Ohren:
Er sagte: “Diese Hipster sehen mit ihren seitlich-kurz-und-oben-etwas-länger-Frisuren alle gleich aus. Merken die das eigentlich nicht?”
Ich dachte: Doch, die merken das. Aber die wollen das. Sonst würden sie ja nicht alle die gleiche Brille kaufen.
Was nicht heisst, dass es mich stört. Bäume stören einen ja auch nicht.*
*Ausser manchmal beim Autofahren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Lügen verbieten.
So wie unrealistische Darstellungen von körperlicher Verbundenheit* verboten oder zumindest von Minderjährigen ferngehalten gehören, so sollten auf meiner Insel auch unrealistische Darstellungen von emotionaler Verbundenheit verboten werden.
Frauen, seht es doch endlich ein. Geradezu lächerlich attraktive Männer in den besten Jahren sitzen nicht zu Hause auf dem Boden neben dem Bett und winden sich und winseln euch hinterher und überlegen sich, wie sie euch am besten glücklich machen könnten**. Sie wollen auch nicht jede eurer Ideen hören und immer angerannt kommen müssen, wenn euch eine Laus über die Leber gelaufen ist. Sie haben dafür keine Zeit. Sie müssen Geld verdienen und da draussen in der echten Welt wichtig sein - nicht zuletzt euretwegen.
Hier die These: Frauen, die sich zu viele sogenannt romantische Filme, schnulzige Musikvideos und Kitschromane zu Gemüte führen, entwickeln völlig überrissene Ansprüche an einen potentiellen Partner und verlangen von ihm ständige Bereitschaft, auf ihre emotionalen Bedürfnisse einzugehen und ihre Gefühle zu teilen. Das finden aber scheinbar alle normal.
Männern werden dagegen der Schwanzgesteuertheit bezichtigt, weil sie das Gefühl hätten, ihre Frauen müssten jederzeit auf ihre körperlichen Bedürfnisse eingehen und gewissermassen ihren Körper teilen. Das finden die meisten völlig daneben.
Ist die Ironie nicht offenkundig? Sie hat das Gefühl, er müsste merken, dass sie ihn liebt, auch wenn sie gerade nicht mit ihm schlafen will. Aber wenn er nicht reden mag, bedeutet das, dass er sie nicht liebt?
Ich kann mich gar nicht entscheiden, was ich abwegiger finde.
Übrigens wäre es schön, wenn es so eindimensional wäre. Dann könnte man allen Paaren die gleichen Tipps geben. Kann man aber nicht, hallelujah.
* Wer findet einen schöneren Euphemismus für Pornographie? In zehn Sekunden?
** Für die korrekte Angabe des heimlich zitierten Musikvideos wird ein Bier verlost.
Warum machen wir das bloss II
Eine bei Weitem nicht abschliessende Liste von Dingen, bei denen ich Menschen* immer wieder beobachte, und nie verstehe, warum sie das tun.
- Einander ausführlich eklige Speisen in allen möglichen unverdauten und verdauten Zuständen beschreiben. Niemand will das hören, oder?
- Einander Sachen zum probieren anbieten, die man selber soeben für widerlich befunden hat. “Probier mal, das schmeckt grauenhaft / verdorben / brechreizend!”
- Leere oder praktisch leere Gebinde, vorzugsweise Milchflaschen, zurück in den Kühlschrank stellen. Ist es Reflex? Oder Faulheit?**
- Einander aus dem Zug anrufen, um zu sagen, dass man “gleich da” oder “gleich zu Hause” ist***.
- Sich über mühsame Eigenschaften an jemand anderem ärgern, die man bzw. weil man sie selber hat. Anstatt Koalitionen oder zumindest Selbsthilfegruppen zu bilden!
Kann mal bitte jemand hinreichend begründen, warum das so ist? Und es dann in Buchform bringen, mir widmen und ein Exemplar nach Bern schicken, danke.
*, mich selbst eingeschlossen,
**Weil der Mülleimer weiter weg ist als der Kühlschrank, vor dem man ja immer noch steht, weil man ja aus der Flasche getrunken hat, weil man nämlich auch zu faul war, um sich ein Glas zu nehmen.
*** Ist nur legitim, wenn darauf mindestens die Frage “Soll ich noch was vom Laden am Bahnhof mitbringen?” folgt.
Mitgehört IV.
Alle sind eins.
1. Das Gähn-Gesicht. Kein Mensch sieht gut aus, wenn er gähnt. Und trotzdem hat es etwas Tröstliches, etwas Verbindendes (nicht nur, weil es sogar über Fotos und Telefone ansteckend ist), wenn man jemanden sieht, dessen Gesicht gerade nach maximaler Kieferdehnung wieder zusammensackt. Man versteht sofort. Man ist eins.**
Bild ausgeliehen bei http://cootelibeau.files.wordpress.com
2. Das Kurz-vor-dem-Niesen-Gesicht. Man muss nichts dazu sagen. Probieren Sie es schnell aus. Im Büro, zu Hause, in der S-Bahn, wo auch immer. Ziehen sie die Augenbrauen in die Höhe, schliessen sie die Augen halb und spannen sie die Mundwinkel schräg nach unten. Gleichzeitig geräuschvoll nach Luft schnappen - voilà. Keiner sieht dabei gut aus. Das ist aber gut zu Wissen.
3. Das Zungen-Pul-Gesicht. Also das Gesicht, dass man macht, wenn man versucht, mit der Zunge etwas zwischen den Zähnen hervorzupulen. Dabei spielt es keine Rolle, ob hinter den Weisheitszähnen oder vorne zwischen den Schaufeln gestochert und gesaugt wird - man macht ein schlimmes Gesicht. Akut wird es, wenn es mit dem Aufmerksam-Zuhören-Gesicht und gelegentlichem Nicken zu kombinieren versucht wird. Das sollte man keinem Gesprächspartner antun. Ausser, man weiss, dass es ihm guttäte, zu wissen, dass alle Menschen in gewissen Situationen ebenso furchtbar aussehen, wie er sich in den meisten fühlt. Dann würde er wenigstens merken: Alle sind eins, wenn sie schlimme Gesichter machen.
Die nicht minder notwendigen Ausführungen zum Lidstrich-Gesicht und zum Gitarrensolo-Gesicht werden Teil der schriftlichen Dokumentation meiner Foto-Vernissage “Schlimme Gesichter aller Nationen” sein, unterstützt von der Stadt Bern und vom Migros Kulturprozent. Stay tuned.
*es war jemand zugegebenermassen jemand wirklich sehr Verzweifeltes
**Während dem Tippen dieses Abschnitts musste ich acht neun zehn elfmal gähnen. Dies ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich hoffe, dass Leser meines Textes gähnen müssen, einfach, um die Gewalt dieser universalen Geste der Menschlichkeit zu demonstrieren.
Drama in einer Szene.
In einem Waggon der Schweizerischen Bundesbahnen, es ist relativ früh, doch sind nur wenige Menschen unterwegs. Eine junge Frau sitzt im zweiten Abteil und denkt sich nichts Böses.
AUFTRITT PASSAGIER 1
PASSAGIER 1: (drapiert seine hervorlugenden Boxershorts und die Silberkettchen, lässt sich schwer in den Sitz gegenüber der Frau fallen) Uff!
FRAU: (denkt) Hoppla, wenn der sich ans Fenster lehnt, gibts einen Fleck aus teuren Haarpflegeprodukten.
PASSAGIER 1: ( legt seine mitgebrachte Gratiszeitung hin, schliesst die Augen und lehnt sich ans Fenster.)
Einige Minuten verstreichen, AUFTRITT PASSAGIERIN 2, eine sehr alte Dame
PASSAGIERIN 2: Hmm-hmm-hmmm.
FRAU: (lächelt)
PASSAGIERIN 2 will am Abteil vorbeigehen, sieht die Gratiszeitung und hält an, um sich diese vorsichtig zu angeln. Bemerkt befremdeten Blick von FRAU.
PASSAGIERIN 2: (flüstert sehr verschwörerisch) Är hets nid gmerkt.
PASSAGIERIN 2 GEHT SUMMEND AB.
Ich musste das Abteil wechseln. Ich hätte den verstörten Blick des Mannes bestimmt nicht ertagen, wenn er ohne seine Zeitung aufwacht.
Drei Gründe I.
Zum Beginn einer neuen Serie* im Liesenhausen:
Drei Gründe für ein ehrliches Lächeln. An einem einzigen Tag.
1. Ein winziges Schaf**, dass völlig aus dem Häuschen quer über die Weide raste, um sich am Zaun mit einem vorbeispazierenden Rentnerpärchen zu unterhalten.
2. Schlafende geschniegelte Banker im Zug.
3. Die freundliche Frau im Tankstellenshop. Das war etwa das fünfte Mal, dass sie mir in meinem Leben einen schönen Tag wünscht. Und das fünfte Mal, das ich dachte: Die meint das wirklich ernst. Landi, halt.
Nicht, dass es sonst keine Gründe gegeben hätte. Aber das waren drei, die niemand erwarten konnte.
* die vielleicht auch mehr als zwei Teile haben wird
** Lamm klingt nach Essen. Ich will aber einen Jöö-Effekt.
Mitgehört II.
Es war ein herrlicher Sommertag, der erste nach einer Reihe von trüben Halbhell-Phasen zwischen den Nächten. Er hatte mit grossem Elan die Laufschuhe gesattelt und die grosse Runde fast in Bestzeit absolviert, als er zufrieden, wenn auch ordentlich schnaufend, im heimischen Garten eintrudelte. Sie sass auf der Schaukel und erhob den Blick aus ihrem Buch, als sie ihn näherkommen hörte. Und fragte:
“Warum hast du denn so einen roten Kopf?”
Er hätte sagen können, es sei von der Sonne, die ihn verbrannt habe. Er hätte sagen können, er habe sich gerade zwölf Kilometer lang angestrengt. Oder er hätte sagen können, die Hitze bringe seine Birne zum Glühen. Stattdessen sagte er:
“Ich finde das schön so.”
Zum Heulen.
Mittlerweile bin ich ein erprobter Hochzeitssänger. Diese Saison ist besonders streng. Dafür bietet sie besonders viele Einsichten über Brautpaare und Hochzeitsgast-Stereotypen*. Denn sobald man vorne steht, tut man das Naheliegendste, um nicht nervös zu werden: Man schaut die einzelnen Köpfe im Publikum an. Die Zuschauer als grosse Masse machen einen ganz kirre, also konzentriert man sich auf die Gesichter. Und beginnt mit dem Rest der improvisierten Hochzeitskapelle Wetten abzuschliessen, welche dem Brautpaar nahestehende weibliche Verwandte als erste zu weinen anfängt.
Das ist immer eine heikle Sache mit dem Weinen bei Hochzeiten. Bei der letzten Gelegenheit hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, dass man gar nicht weint, weil es so traurig ist, dass zwei Menschen ihre Freiheit aufgeben oder aus Angst vor dem Scheitern** der Beziehung, die man an selbigem Tag feiert. Aber wieso denn dann? Ihre Antwort wurde von einem verzückten Augenaufschlag und einem sehr weichen Seufzer an mein Ohr eskortiert. Weils so schön ist, dänk!
Das hat mich wirklich nachdenklich gestimmt.
*Etwa die Dame mit dem säuerlichen Gesichtsausdruck, die noch älter aussieht als sie ist, die die Traupredigt dazu nutzt, ihre Fingernägel zu säubern und dann den Pfarrer böse anzustarren. Egal wie gelöst oder emotional die Stimmung ist, jedes Mal hockt so ein bitteres Weib irgendwo drin. Werfen Sie mal einen Blick nach hinten.
**Ich dachte, das sei etwa wie vor einem Bungee-Sprung. Da weinen die Leute doch manchmal auch aus Angst. Hätte also sein können.
Mitgehört.
“Mutti, ich habe heute den Mann meines Lebens getroffen.” - “Das ist aber schön. Weiss er schon etwas davon?”
Nicht mit jedem jugendlichen Gefühlsausbruch muss man sich ernsthaft beschäftigen. Viele Mütter wissen das. Erfrischend. Sollte allerdings eine grössere Summe vom Konto der Tochter verschwinden und der Schlafsack aus Pfadfinderzeiten plötzlich an der Wäscheleine hängen, ist Vorsicht geboten. Sie könnte überstürzt heiraten wollen.
Möglichkeiten I.
Eigenartig: Kaum stirbt Michael Jackson, fangen plötzlich ganz ganz viele Leute wieder an, von einem Himmel zu reden. Es wäre schön, wenn die Menschen auch in ruhigeren Zeiten diese Möglichkeit im Hinterkopf behielten. Bevor Prince auch noch stirbt.
Ungeachtet der Varianten, wo er jetzt sein könnte, ist es ja schon traurig. Aber besser für ihn, behaupte ich. Ich hatte Bauchschmerzen beim Gedanken daran, dass er vielleicht nicht in der Lage wäre, diese fünfzig Konzerte erfolgreich abzuspulen. Dann hätten die Zeitungen mit Begeisterung über seinen fast vollständigen Zerfall hergezogen. Natürlich hat er das auch selber gewusst. Ich will nicht behaupten, dass er eines unnatürlichen* Todes gestorben sei. Aber ich behaupte, dass man nach jahrzehntelangem Schmerzmittelkonsum recht genau weiss, was man verträgt. Und eben auch, was man nicht vertragen wird.
Schade ist einfach, dass wir nicht erfahren werden, was noch in ihm gesteckt hätte. Aber ich opfere diese mir entgehenden Entdeckungen nicht ungern der Sicherheit, dass wir keinen fatalen Skandal mehr bezeugen müssen, der die Lichter über den guten Zeiten, die jetzt überall eifrig wieder mit mehr Wattstärke versehen werden, endgültig zum Erlöschen bringt. Es ist zugegebenermassen ein klein wenig erleichternd, dass der Mann jetzt nicht mehr kaputt machen kann, was er geschaffen hat. Durch diesen plötzlichen Abgang des Interpreten erhält sein Werk nun endlich wieder den Respekt, der ihm gebührt.
Wenn ich ein emotionaler Typ wäre, könnte ich jetzt noch etwas Schönes über Jackson sagen. Leider bin ich das nicht. Aber ich gönne ihm die Ruhe, vielleicht mehr als jedem anderen.
*Wenn es denn im Leben eines Michael Jackson irgend etwas Natürliches gibt.
Gute Frage.
Ich liebe Wörter. Auch neue, wenn sie etwas wirklich neues machen. Wörter können ganz komplizierte Sachen ganz einfach werden lassen. Wenn etwas formuliert ist,ist der Effekt viel konzentrierter. Und auch schneller vorbei, meistens. Das ist aber eine andere Geschichte.
Vor kurzer Zeit wollte mich jemand dazu bringen, zuzugeben, dass ich mehr als Freunde hätte sein wollen, als sich die Gelegenheit bot, und dass ich nur aufgrund der äusseren Umstände abgelehnt hätte. Ich wich zur Beschreibung unseres Verhältnisses auf eine meiner liebsten Wortentdeckungen des letzten Jahres aus, weil ich dachte, ich könnte damit dieses Nur-Freunde-Ding umgehen*. Mein Argument wollte er mit dem folgenden Satz zerschlagen:
You can’t call it a bromance, cause you’re a girl and I’m a guy.
Und ich fragte:
Kann ich nicht?
* Ehrlicherweise, denn die Geschwindigkeit unserer Anfreundung war wirklich aussergewöhnlich. Um das zuzugeben, brauche ich nicht an verwandte Seelen zu glauben. Lustigerweise hatte mir ebendieser Jemand bei unserem ersten Treffen nach ein paar Bier erklärt, dass wenn einer wie er eine wie mich nicht bekommen könnte etwas mit der Welt nicht mehr stimmte. Objektiv gesehen hatte er absolut recht. Trotzdem wurden wir Freunde, unter anderem, weil wir beide die Sprache des Ortes, an dem wir uns trafen, kaum verstanden.
Banause.
Hüpfende Schlübbis.
Ich habe eine Marotte, die ich seit der achten Klasse hege und pflege. Das ist eine sehr lange Zeit, deshalb fühle ich mich deswegen mittlerweile nicht mehr abartig. Ich sammle Unterhosen. Bei der Auswahl neuer Stücke ist in erster Linie die Farbe bzw. Musterung entscheidend. Dies kann eine Erklärung für das Erlebnis im Waschsalon sein, dass gerade hinter mir liegt.
Ich fütterte die geduldige Maschine mit Wäsche und Waschpulver und verliess anschliessend den Salon, um auf einer Bank im kühlen Abendwind zu lesen. Als ich den Salon zwanzig Minuten später wieder betrat, sass ein Mann vor meiner Waschmaschine und starrte konzentriert hinein. Mir war das unnötigerweise etwas peinlich. Nachdem ich ihn etwa zwei Minuten in unveränderter Position betrachtet hatte, fragte ich höflich, was es denn da zu sehen gäbe.
Er hob seinen Silberblick zu mir empor und sagte: ‘Ist es nicht fantastisch? Die Farben! Die Farben!’
Ich schaute dem bunten Hüpfen und Drehen und Sich-überschlagen in der Trommel einen Moment lang zu und konnte es nicht ganz nachvollziehen.
Bin ich zu schweizerisch, oder ist das tatsächlich ein wenig indiskret, die Wäsche fremder Leute so genau zu inspizieren? Und sind Waschsalons nicht überhaupt die indiskreteste Einrichtung der Welt?
Relationen.
Es ist verrückt, wie egal einem eine Prüfung schlagartig werden kann, wenn man befürchtet hat, einen Freund zu verlieren. Zur Feier des Tages zitiere ich C.S. Lewis:
‘Friendship is born at that moment when one person says to another: “What! You, too? Thought I was the only one.”’