Es ist wie mit der Liebe. Hoffentlich.

Ich weiss noch recht genau, wie ich ihn kennengelernt habe. Ich war etwa siebzehn, es war Sommer, und ich war irgendwo in Frankreich.

Über den schlecht geteerten Strassen flimmerte die Luft und die grelle Sonne liess einen die Augen selten mehr als halb geöffnet halten. Die Autofahrten von einem Ort zum anderen dauerten ewig, und sogar der Fahrtwind war stickig. Die Hitze drückte unsere Lebensgeister tief in die Autositze und liess uns wie zufriedene Zombies über die Riviera taumeln. Denken wog zu schwer, deshalb beliessen wir es beim Entscheiden: Wo fahren wir als nächstes hin? Kaufen wir jetzt Wasser oder später? Ich war lange nicht so glücklich gewesen.*

Irgendwann gerieten wir mitten in der Pampa an eine Tankstelle mit einem sehr, sehr kleinem Supermarkt. Zwischen Alu-Sonnendecken für die Windschutzscheibe, Strassenkarten, Kühlwasser, Handseifen, Zahnbürsten, Cola, Chips, Kreuzworträtselheften und Plüschtieren prangte eine stolze kleine Auslage von Tonträgern. Zu meiner grossen Überraschung hing ein Kopfhörer dabei, mit dem man offenbar mindestens eine der Scheiben probehören konnte.

Froh darüber, einen guten Grund gefunden zu haben, um noch einen Moment in der angenehmen Kühle des Tankstellenladens verweilen zu können, spreizte ich mit müden Fingern den Halter der Hörmuscheln und tauchte ein in fremde Töne und Melodien. Nichts liess mich erahnen, wie vertraut sie mir werden sollten. Verwundert beobachtete ich, wie sich die Haare auf meinen Armen aufstellten, als die samtenen Töne in meine Ohren eindrangen und über meinen Rücken rieselten. Wäre diese Musik ein Ort gewesen - ich hätte genau gewusst, wo wir als nächstes hinfahren. Und vielleicht für immer bleiben.

Das Verrückte ist: Zwei Jahre später ertrug ich es nicht mehr, ihn singen zu hören. Seine Stimme ging mir dermassen auf den Wecker, dass ich schon bei der Erwähnung seines Namens ein Gesicht wie saure Milch machte. Er war in jenem Sommer meine nächstbeste grosse Liebe gewesen, und wir waren uns viel zu nahe gekommen. Ich hatte die ganze Scheibe binnen zwei Jahren totgehört.

Über die letzten Jahre hat hie und da wieder eine kleine Annäherung stattgefunden. Ein-, zweimal habe ich sogar die ganze Platte am Stück angehört. Aber es wäre mir nicht eingefallen, das zweite und dritte Album anzuschaffen. Schliesslich sah ich letzten Montag im Schaukasten des bestpositionierten Plattenhändlers in meiner Stadt sein mittlerweile viertes Album liegen. Vielleicht gefiel mir auch einfach nur das Cover. Aber ich war neugierig. Und heute habe ich es mir angehört.

Ich hörte die ersten paar Takte des Openers - und war zu Hause. Und war siebzehn. Und gleichzeitig so froh, nicht mehr siebzehn zu sein. Wie damals habe ich die Hörprobe nach fünf Minuten abgebrochen und die Scheibe zu einem völlig überrissenen Preis gekauft. Weil ich sie sofort, sofort haben musste. Weil ich gar nicht sicher war, ob ich sie wieder aus der Hand legen könnte, selbst wenn ich das wollte.

Und ich liebe, was er tut, mehr denn je. My heart is a flower, too.**





*Die üblichen Teenagerprobleme, Sie wissen schon. Zu klein, zu dick, niemand wird mich jemals mögen und wie finde ich bloss heraus, was ich werden will?


**Vielleicht habe ich irgendwann Musse, eine ordentliche CD-Kritik darüber zu schreiben. Vermutlich nicht.