09 Januar
Liebes 007!
Kaum bist du angebrochen, versprichst du ein ereignisreiches Jahr zu werden. Dass du besonders erfolgreich, schön oder erkenntnisschwanger sein wirst, kann ich nur hoffen. Jedenfalls hielt ich es für eine gute Idee, dir erstmal zu schreiben. Damit wir uns kennenlernen, du weisst schon. Ohne falsche Schleimereien, nur du und ich.
Einen aussergewöhnlichen Namen trägst du jedenfalls. Allerdings nur, weil wir von der westlichen Filmindustrie derart geprägt sind, doch kann dir das wohl keiner mehr nehmen. Du wirst mir voraussichtlich so einiges bringen.
Eine neue Schule, eine fast neue Stadt, unerwartete Begegnungen, unerwartete Glücksfälle. Bestimmt auch einige schwierige schulische und menschliche Prüfungen. Was halt so dazugehört, wenn man zusehends altert. Ach ja. Meinen Zwanzigsten, vor dem ich in den letzten Jahren sorgfältig eine panische Angst entwickelt habe, wirst du wohl oder übel auch beinhalten. Eine aussergewöhnliche Ehre für mich, zweifelsohne.
Du hast dir ja wirklich Zeit gelassen. Schön, dass du jetzt da bist. Schön, dass du es so gut mit mir meinst.
10. Januar 2007
Eine weltbewegende Frage
Kann man jemanden dafür verabscheuen, dass er einen mit grösster Hochachtung zu sich aufblicken lässt?
Scheisse, Gavin. Ich sollte dich inskünftig aus Neid boykottieren.
http://www.youtube.com/watch?v=JfIfiRZgyaE
23. Dezember 2006
Ich warte
‘There now’, würde Katie McIllhenny sagen. There now, die ausnahmsweise rechtzeitig besorgten Geschenke sind verpackt und liegen unter dem glücklicherweise eher spärlich geschmückten Weihnachtsbaum. Die Aussentemperatur legt sämtliche Körperfunktionen lahm, die Luft klirrt vor Kälte. Das Einzige, was diese Idylle erträglich unvollkommen macht, ist der fehlende Schnee.
Ganz entgegen meinem durch seine omnipräsente Obercoolness geprägten Naturell wünsche ich mir dieses Jahr aber ein erdrückend kitschiges Weihnachtsfest. Also her mit dem Schnee, ich warte.
24. Dezember 2006
A propos
Ein sehr netter Beitrag aus der Bochumer Kleinkunstszene zum Thema des gestrigen Eintrags.
http://www.sprechstation.de/sp/mp3/sebastian23_warten.mp3
19. Dezember 2006
Das Beste.
Nein, nicht von Silbermond. Sondern meine liebste Szene aus einem ganz aussergewöhnlichen Film, der einem noch viel aussergewöhnlicheren Buch nachempfunden ist…
http://www.youtube.com/watch?v=kbspsPfeFwQ
18. Dezember 2006
Von dröhnenden Köpfen und segelnden Ohren
Wer kennt es nicht, dieses Gefühl, dass sein Kopf heute so gross ist, dass er bestimmt auf beiden Seiten übers Kopfkissen heraushängt? Man erhebt sich mühevoll, und wer sich sogar zu einem Blick in den Spiegel überwinden kann, entdeckt dort wenig mehr als ein paar verquollene Äuglein und ein verschwommenes Schema eines blassen Gesichts. Spätestens in diesem Moment wird klar, dass man das mit dem Aufstehen besser hätte sein lassen, trotzdem wartet einem ein glorreicher Tag - von wieder hinlegen und somit das einzig Richtige tun keine Spur.
Eine weitverbreitete Problematik, der Katermorgen. Das einzig Aussergewöhnliche an diesem meinem heutigen Zustande ist somit, dass ich gar keinen Kater haben kann. Denn ich war gestern an einem Konzert, das bereits um viertel nach Neun Geschichte war und habe ausser viel Wasser nichts getrunken. Warum also dieses Dröhnen? Warum dieser untrügliche Eindruck, dass meine Ohren heute weiter abstehen als sonst? Diese haarsträubende Erkenntnis, dass meine Gesichtsfarbe nicht wie in den letzten 19 Jahren angenommen zart-rosig ist, sondern eher an eine zu lange gelagerte Scheibe Saint-Albray-Weichkäse erinnert?
Nun, es mag damit zusammen hängen, dass ich bei diesem Konzert in einer mir völlig unvertrauten Funtion wirken musste. Ich organisierte. Als grundsätzlich unorganisierter und unorganisierender Mensch ist diese plötzliche Verantwortung wahrlich eine Last. Dass das Abfallen einer solchen zu derartigen Katererscheinungen führt, zeigt mir eine gänzlich Neue Interpretationsmöglichkeit des klassischen Katers auf. Es sind nicht Alkohol und Schlafmangel, die eine Pein solcher Art am nächsten Morgen verursachen. Nein, es ist die Gewissheit, dem rauchigen, schweissbadenden Gewühl inmitten von grellbunten Lichtern und zu lauter Discomusik entronnen zu sein. Man könnte diese grosse Erleichterung bei normalem Gesundheitszustand nicht ertragen, da der Kontrast von der vorangegangenen Stresssituation zum Status Quo zu gross wäre. Also quält uns unser fürsorglicher Körper, der sowieso immer am besten weiss, was uns gut tut, mit den allseits bekannten Katererscheinungen. Um uns schrittweise zurückzuführen in den Zustand der seligen Stille. Danke, Kopfweh!
15. Dezember 2006
Warum man nach Mitternacht keine sentimentalen Videoclips anschauen sollte
Das Konzept ist simpel. Grosser Held kämpft auf brennenden Schlachtfeldern. Sein Mädchen wartet zu Hause auf ihren edlen Ritter, muss aber vernehmen, dass dieser den heutigen Kreuzzug gegen das Feuer nicht überstanden hat. Dem geneigten Konsumenten der Geschichte wird im nächsten Moment offenbart, dass dies ein fataler Irrtum war. Keine dreissig Sekunden später erfährt dies auch die holde Maid, die sogleich verheult und freudestrahlend ihrem tapferen Krieger in die Arme springt.
Das Konzept ist simpel - wie kommt es also, dass die Botschaft den Menschen die Gewalt über seine emotionalen Äusserungen verlieren lässt?
Die Sachlage ist nach der ersten Strophe bereits klar: Vormittägliches Herumalbern zweier Verliebter wird von Telefonanruf unterbrochen. Mann muss sofort zum Feuerwehreinsatz einrücken, Frau schmollt, weil sie sich aufs gemeinsame Blaumachen gefreut hatte. Refrain. Frau betrachtet im Fernseher Bilder der Brandkatastrophe und erhält einen Anruf, der sie offenbar in Kenntnis davon setzt, dass ihr Liebster nicht mehr aus den Flammen geborgen werden konnte. Derweil kraxelt erwähnter Liebster heldenhaft mit einem bewusstlosen Kameraden über der Schulter aus dem rauchenden Herzen der Zerstörung heraus. Refrain. Feuerwehrbrigade trifft beim Haus der Witwe ein, scheinbar um ihr zu kondolieren - doch, oh Wunder, ihr verloren geglaubter Herzbube erscheint ebenfalls - Ende der Geschichte.
Natürlich, wir geben nicht zu, dass diese Vier-Minuten-Geschichte uns zu berühren vermag. Nein, nein, wir haben nur etwas im Auge. Denn Softies und kitschgeile Tussis kann man damit ködern, aber nicht uns Durchschnittsmenschen von heute. Nein, wir sind härteren Stoff gewohnt als bloss ein bisschen Waldbrand. Und mit Verlusten muss man eben rechnen, selbst wenn sie menschlicher Natur sein sollten. Oder sind wir vielleicht bloss verwöhnt? Gesegnet, noch nie in eine vergleichbare Lage geraten zu sein?
Man hört die Frau förmlich denken: ‘Deine 24-Stunden Jobpräsenz geht mir gewaltig auf den Wecker.’ Dieser unausgesprochene Vorwurf entgeht bestimmt auch ihrem Mann nicht - und kurz darauf ist sie mit dem Gedanken konfrontiert, dass dies das Letzte gewesen sein könnte, wass sie ihn spüren liess. Die Nachricht seines Todes scheint ihr das Genick zu brechen. Angesichts der Tatsache, dass eine Naturgewalt und der unglückliche Umstand seiner Berufswahl ihr das Liebste entrissen haben, reagiert sie mit ohnmächtigem Zusammenbrechen.
Doch welcher abgebrühte Durchschnittskonsument wird sich in ihre Lage versetzen, um ansatzweise zu erahnen, mit welcher Wucht einen ein solcher Schlag ausser Gefecht setzt? Nein, wir schalten weiter. Der Emotionsausverkauf unserer Massenmedien hat längst zu einer Verrohung geführt, die verhindert, dass eine solche Geschichte noch als eindrücklich empfunden wird. Schade, Nickleback.
http://www.youtube.com/watch?v=CiWUQBM91gU
13. Dezember 2006
Was geschah am 13. Dezember?
Meinen heutigen unverzichtbaren Beitrag widme ich meiner ganz persönlichen Lieblingsrubrik der Wikipedia. Manch ein aufschlussreicher Artikel wurde mir durch dieses Portal erschlossen, der mir sonst schlicht am Allerwertesten vorbeigegangen wäre. Doch ausgerechnet heute muss ich an jener prominenten Stelle folgendes lesen:
1946 – Thomas Mann erhält die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn zurück, die ihm 1936 von den Nationalsozialisten entzogen worden war.
Aber… wieso denn?
14. Dezember 2006
Tage wie dieser.
Es gibt viele, zu viele denkwürdige Dinge auf der Welt. Es gibt nichts, was es nicht gibt und trotzdem erobern ständig neue Spleens und Produkte den Weltmarkt. Und dann gibt es sie. Tage wie diesen. Tage, an denen einen nichts umhaut. Tage, die dir die schlimmsten Nachrichten bescheren können und dennoch durchwirkt sind mit dem goldenen Faden der Gewissheit, dass du auf der Sonnseite des Lebens stehst. Das sich alles zu seiner Zeit ergeben wird.
aus ‘Frag Marek’, 2005
08. Dezember 2006
Mein lieber Herr Gesangsverein…
Ein kleiner Auszug aus einem Artikel, den ich kürzlich verfasst habe, veröffentlicht an dieser prominenten Stelle in der Reihe: ‘Was mich momentan zur Weissglut treibt.’
Obwohl ich immer noch überzeugt bin, dass TenSing die sinnvollste Form von Jugendarbeit überhaupt darstellt, sehe ich mich mit dem Fakt konfrontiert, dass es offenbar nicht mehr zeitgemäß ist, seine Fähigkeiten in den Dienst einer Gruppe zu stellen. Wer heutzutage das Gefühl hat, musisch-kreativ unbegabt zu sein, probiert es gar nicht erst, womöglich weil der Druck unserer Leistungsgesellschaft bereits auf das Selbstwertgefühl unserer Jungen einwirkt. Wer hingegen das Gefühl hat, auch nur einen Funken Begabung in dieser Richtung zu besitzen, rennt sofort zu einer der zahlreichen Castingshows (die ich zugegebenermaßen auch passiv frequentiere), welche einem innerhalb von einem Vorsing- und Vortanzmarathon und zehn durchgestylten Fernsehsendungen zum Superstar aufbauen sollen. Der Zeitgeist drängt eindeutig in Richtung Kreativoligarchie. Wer nicht super ist, soll das Feld gefälligst den (vermeintlich) Besseren überlassen.
07. Dezember 2006
Ich blogge, also bin ich.
Nun, die Zeit ist gekommen, alle möglichen Kleinigkeiten von immenser Wichtigkeit preiszugeben, auf dass sie die gierigen Leser dieses spärlich gepflegten Blogs verschlingen mögen. Der Moment, der mir die Augen dafür öffnete, war spätestens dann gekommen, als ich gestern zur schockierenden Erkenntnis fand, das selbst mein über alle Massen bewundertes Journalistenidol einer so profanen Tätigkeit wie Bloggen nachgeht. Natürlich legitimiert dies die Bloggerei meinerseits, denn ich muss ja schliesslich alles tun, was der *Zensur aus Personenschutzgründen* tut. Bloggen, was ist das überhaupt für ein Verb? Ihm fehlt jede Eleganz, jeglicher Sinn für Selbsterklärung, ja sogar Wohlklang geht ihm abhanden. Vielleicht ist es gerade das, was das Bloggen so beliebt macht: Bloggen ist in höchstem Masse volksnah.