Neulich im Zug, da war ich etwa fünf Minuten verliebt. Ich setzte mich einem Mann gegenüber, der zusammengefaltet quer über die beiden unbequemen Sitze lag. Er schlief tief und fest.
Rundherum menschelte es gewaltig. Männer telefonierten, Frauen tratschten und lachten künstlich, Kinder plärrten. Durch die heilige Dämmung meiner Oropax hörte ich davon nur Bruchteile. Der Mann mir gegenüber lag wie eine gut durchblutete Oase der Ruhe mitten in dieser Feierabendpendlerei. Und dafür wollte ich ihn mit meiner Jacke zudecken, ihm ins Ohr flüstern, dass ich ihn wecken würde, wenn wir da seien, dass er unbesorgt weiterschlafen möge. Er sah vollkommen friedlich aus. Zudem schien er sehr attraktiv zu sein und erinnerte mich an eine verflossene Liebschaft.
Leider wachte er in Olten auf. Zurück in der Vertikalen wirkte sein Gesicht seltsam unproportioniert. Doch als er lächelnd etwas zu mir sagte und auf den Laptop zeigte, an dem ich sass, war mein Herz fast gewonnen. Ich war sicher, dass er mich auf den Aufkleber angesprochen hatte. Ein Seelenverwandter. Deshalb, und nur deshalb, entfernte ich einen Ohrstöpsel und fragte: ‘Wie?’ Woher hätte ich denn wissen sollen, dass seine Antwort alles ruinieren würde. 'Ehm, het er no Akku?’